Wechsel der Inhaberschaft einer E-Mail-Adresse als Abmahnrisiko?

„Die Klägerin hätte auch schlicht von der Möglichkeit Gebrauch machen können, durch einen Tastendruck den Newsletter abzubestellen.“

Einen solchen Satz liest man in deutschen Urteilen zur Werbung per E-Mail eher selten. Und doch ist dies der wesentliche Grund, warum das Oberlandesgericht Hamm einen Unterlassungsanspruch ausnahmsweise nicht zuerkannt hat, obwohl sich der Empfänger einer werbenden E-Mail nicht zuvor mit dem Erhalt derartiger Werbung einverstanden erklärt hatte (OLG Hamm vom 9.12.2014, Az. 9 U 73/14).

Wechsel der Inhaberschaft an einer E-Mail-Adresse
Es wird nicht häufig zu einem Problem, kommt aber schon ab und an vor: Es liegt eine – durch Double Opt-in verifizierte – Einwilligung in die Werbung per E-Mail vor. Irgendwann beschwert sich der Empfänger, er habe nie eingewilligt und droht mit dem Anwalt. Und in der Tat, wie sich später herausstellt, hat ein früherer Inhaber der E-Mail-Adresse die Einwilligung erteilt.

Die Gründe, warum die Inhaberschaft an E-Mail-Adressen wechseln kann, sind vielfältig. Der häufigste Fall ist ein Wechsel der Domain. Hat der neue Domain-Inhaber ein Catch-All auf alle E-Mail-Adressen eingestellt, erhält er alle E-Mails, die an die erworbene Domain gerichtet sind. Aber auch die Aufgabe einer E-Mail-Adresse und anschließende Neuregistrierung durch einen anderen kommen in der Praxis durchaus vor.

Gericht: Versender darf auf Einwilligung vertrauen
Muss der Versender in einem solchen Fall eine Unterlassungserklärung abgeben? Würde er eine Klage verlieren? Im Gesetz heißt es, dass die Werbung per E-Mail nur zulässig ist, wenn der Adressat zuvor ausdrücklich eingewilligt hat. Hat die E-Mail-Adresse zwischen Erteilung der Einwilligung und dem Erhalt der Newsletters aber gewechselt, hat gerade nicht der Empfänger eingewilligt. Ist die E-Mail damit rechtswidrig? Ist damit jeder Verteiler potenziell dem Untergang geweiht, weil sich ein Wechsel von E-Mail-Adressen nie ausschließen lässt?

Nein! Das Oberlandesgericht Hamm hat einen vergleichbaren Fall zu Gunsten des Werbenden entschieden und dabei viel Verständnis für die Situation erkennen lassen. Das Gericht sieht in einer solchen Konstellation auch ohne Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung keine Wiederholungsgefahr. Lag für eine E-Mail-Adresse zunächst eine Einwilligung vor und ist für den Versender ein Wechsel der Inhaberschaft nicht erkennbar, bestehe kein Unterlassungsanspruch. Der Versender dürfe grundsätzlich davon ausgehen, dass die versendete E-Mail weiterhin den einwilligenden ursprünglichen Inhaber der E-Mail-Adresse erreicht.

Das Gericht führt weiter aus, es sei dem Empfänger hier zumutbar, den Versender darauf hinzuweisen, dass er nunmehr der Nutzungsberechtigte der Domain sei, aber keine Einwilligung erteilt habe und die Werbung nicht wünsche – er könne sich natürlich auch einfach aus dem Verteiler austragen.

Adressat ungleich Empfänger
Das Gericht hat bei der Wiederholungsgefahr angesetzt und in dieser besonderen Situation angenommen, dass die Gefahr einer neuerlichen Begehung nicht bestehe. Womöglich wäre dieses Ergebnis aber auch einfacher erreichbar gewesen: Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung bei einer Werbung per E-Mail anzunehmen, wenn keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Offenbar soll es auf den Adressaten, nicht den Empfänger ankommen. Adressiert ist die E-Mail an denjenigen, der die Einwilligung erteilt hat. Das Gesetz gibt zu erkennen, dass es auf die Richtung und damit die Intention des Werbenden ankommt. Der Werbende geht davon aus, dass Adressat (und damit Einwilligender) und Empfänger identisch sind und darf sich darauf auch verlassen.

Zwar war Gegenstand des Verfahrens vor dem OLG Hamm keine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit, doch müssen für die Beurteilung nach §§ 823, 1004 BGB die gleichen Maßstäbe herangezogen werden. Auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten muss es daher auf die Einwilligung desjenigen ankommen, den der Versender eigentlich anschreiben möchte.

Verschreiben und Vertippen als Abmahnrisiko
Mit dieser Argumentation dürften sich im Übrigen auch Fälle des Vertippens oder Verschreibens von E-Mail-Adressen – jedenfalls bei manuellem Versand – in den Griff bekommen lassen. Wird eine Werbe-E-Mail an einen konkreten Kunden gerichtet, schleicht sich bei der Eingabe der Adresse aber ein Fehler ein, so dass die E-Mail bei einem anderen eingeht, liegt dennoch eine Einwilligung desjenigen vor, an den die E.Mail grichtet war, des Adressaten eben.

Wichtig: Beschwerden ernst nehmen
Das Urteil gibt Entwarnung für Konstellationen, in denen die Einwilligung für eine konkrete E-Mail-Adresse durch den früheren Inhaber der E-Mail-Adresse erteilt wurde. Es sind nun nicht alle Adressverteiler gefährdet, weil sich schließlich nie ausschließen lässt, dass eine E-Mail-Adresse den Inhaber wechselt. Voraussetzung ist aber, dass der Werbende nachweisen kann, dass der frühere Inhaber der E-Mail-Adresse tatsächlich eine Einwilligung erteilt hat.

Wichtig ist auch, dass der Sachverhalt vollständig aufgeklärt wird. Wie stets sollte schnell und professionell der Dialog mit demjenigen geführt werden, der sich beschwert. Dies gilt insbesondere wenn der Betroffene mit der Einschaltung eines Anwalts droht. Nur wenn bekannt ist, wie die Sachlage ist, lässt sich darauf adäquat reagieren. In über 3/4 der Fälle die uns bekannt sind, hätten sich Klagen vermeiden lassen können, wenn schnell und professionell auf eine Beschwerde oder eine Abmahnung reagiert worden wäre.