OLG Celle und wie eine Abmahnung einen ganzen Verteiler in Gefahr bringt

Wer E-Mail-Marketing betreibt, kennt das womöglich: Jemand beschwert sich darüber, Werbung per E-Mail erhalten zu haben. Man nimmt die betreffende E-Mail-Adresse aus allen Verteilern und anschließend stellt sich heraus, dass dieselbe Person noch mit weiteren E-Mail-Adressen im Verteiler vertreten ist.

Wohl jeder größere E-Mail-Verteiler enthält Adressen, bei denen sich nicht mehr vollständig nachweisen lässt, ob der Adressat seine Einwilligung gegeben hat. Jedenfalls wenn man die strengen Anforderungen an das Vorliegen einer Einwilligung des Inhabers der E-Mail-Adresse zugrunde legt, die die deutsche Rechtsprechung entwickelt hat, steht ein mit der Zeit gewachsener Verteiler hohen Hürden gegenüber. Dass dies eine besondere Gefahr für den E-Mail-Marketer bedeuten kann, zeigt ein neues Urteil des OLG Celle. Dieses ist nicht die erste Entscheidung, die deutlich macht, wie eine Abmahnung den ganzen Verteiler gefährden kann.

Die Ausgangssituation: Die Abmahnung
Eine Abmahnung wird sicherlich schon jeder E-Mail-Marketer bekommen haben und zunächst erscheint eine solche Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung wenig bedrohlich. Meistens mahnen Rechtsanwälte in eigener Sache ab oder wenn Anfragen, aus dem Verteiler genommen zu werden, ignoriert wurden. Dieselbe Ausgangssituation lag dem vorliegenden Fall des OLG Celle zugrunde (Urteil vom 15. Mai 2014, Az. 13 U 15/14). Nachdem ein Anwalt eine Abmahnung, die auf eine konkrete E-Mail bezogen war, einem Händler zukommen ließ, gab der Händler eine Unterlassungserklärung ab, die auf die konkret abgemahnte E-Mail-Adresse bezogen war. Dies war dem Anwalt aber nicht genug und er forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung, die generell auf an ihn gerichtete Werbung per E-Mail bezogen war.

Das Problem
Der Händler lehnte dies jedoch ab, mit der Begründung, er könne nicht wissen, mit welchen anderen E-Mail-Adressen der Anwalt in seinem Verteiler sei. Hätte er die Unterlassungserklärung nun aber auf alle möglichen E-Mail-Adressen bezogen, wäre womöglich nach dem nächsten Newsletterversand die versprochene Vertragsstrafe für jede Adresse fällig geworden, die dem Abmahner gehört und sich noch im Verteiler befindet.

Der vielfach erteilte Ratschlag, Abmahnungen mit einer auf die konkrete E-Mail-Adresse beschränkten Unterlassungserklärung zu beantworten, stellte schon immer ein zweifelhaftes Vorgehen dar und ist hier dem werbenden Händler zum Verhängnis geworden.

OLG Celle: Eine beschränkte Unterlassungserklärung reicht nicht aus
Das Gericht entschied in seinem Urteil, dass der abmahnende Anwalt Anspruch auf Abgabe einer allgemeinen Unterlassungserklärung habe. Eine auf eine konkrete E-Mail-Adresse des Betroffenen beschränkte Unterlassungserklärung reiche nicht aus, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Der Anwalt bekam daher vom OLG Celle Recht und der Werbende wurde ungeachtet der bereits abgegebenen Unterlassungserklärung zur Unterlassung verurteilt.

Das Argument des Händlers, dass eine allgemeine Unterlassungserklärung für das werbende Unternehmen ein nur schwer kalkulierbares Risiko beinhalte, ließ das Gericht nicht gelten. Ein Unternehmen müsse, wenn es mehrere „faule“ E-Mail-Adressen im Verteiler habe, deren Zugehörigkeit zu einem Adressaten nicht mehr nachvollziehbar sei, für die Folgen gerade stehen, meinte das Gericht sinngemäß. Es liege in der Hand des Werbenden, für jede E-Mail-Adresse ein lückenloses Double-Opt-in-Verfahren vorzusehen und zu dokumentieren.

Die Entscheidung reiht sich in eine Reihe von ähnlichen Entscheidungen und ihr lässt wettbewerbsrechtlich lässt sich ihr nicht viel entgegensetzen. Der Vorwurf der Abmahnung ist nämlich nicht die Versendung einer E-Mail an eine konkrete E-Mail-Adresse, sondern die Versendung von E-Mails allgemein an den Betroffenen, ohne dass dieser seine Einwilligung dafür gegeben hätte.

Was sollten Unternehmen tun?
Die beste Lösung, eine solche missliche Situation schon gar nicht aufkommen zu lassen, ist, für eine vollständige Dokumentation des Double-Opt-in-Verfahrens zu sorgen und ausschließlich an solche dokumentierte Adressen Werbung per E-Mail zu versenden. Dadurch kann man schon die Abmahnung vermeiden. Jede Bitte um Austragung aus dem Verteiler sollte umgehend berücksichtigt werden. Ein funktionierender unternehmensinterner Prozess zum Verteiler-Management ist im E-Mail-Marketing von essentieller Bedeutung. Die Umsetzung der Bitte um Löschung sollte innerhalb eines Arbeitstages, keinesfalls aber länger als zweier Tage erfolgen. Das OLG Celle hielt nämlich sechs Tage für zu lang.

Was tun bei einer Abmahnung?
Falls eine Abmahnung vorliegt, sollten einige Regeln eingehalten werden, um den Schaden zu minimieren. Dazu zählen:

  • gezielte Suche im Verteiler nach möglichen weiteren Adressen des Abmahners;
  • genaue Prüfung der verlangten Unterlassungserklärung (wer lediglich eine auf die betroffene E-Mail-Adresse verlangte Unterlassungserklärung fordert, muss auch keine allgemeine bekommen);
  • genaue Formulierung der Unterlassungserklärung, insbesondere hinsichtlich des Vertragsstrafeversprechens – ein Anspruch auf eine konkrete Summe (5.001,- Euro) besteht im Regelfall nicht;
  • Aufforderung zur Mitteilung weiterer bekannter E-Mail-Adressen im Verteiler (dies kann jedenfalls im Falle eines Verstoßes die Höhe einer geschuldeten Vertragsstrafe erheblich mindern).

Und nebenbei: Das OLG München hat unrecht
Zwar kam es in der Entscheidung des OLG Celle nicht darauf an, jedoch setzte sich das Gericht mit dem Double-Opt-in-Verfahren und der Entscheidung des OLG München auseinander. Das OLG München nahm nämlich in seiner äußerst fragwürdigen Entscheidung an (Urteil vom 27. September 2012, Az. 29 U 1682/12), dass das Double-Opt-in-Verfahren zum Nachweis des Bestehens einer Einwilligung ungeeignet sei, weil schon die erste Check-Mail Werbung darstelle. Das OLG Celle kam jedoch zu dem Schluss,

„entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts München …, die Übersendung einer Aufforderung zur Bestätigung im Rahmen des double-opt-in-Verfahrens nicht als unzulässige Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG anzusehen“.

Damit mehren sich die Anzeichen, dass die unsägliche Entscheidung des OLG München keine weiteren Konsequenzen für die E-Mail-Marketing-Branche haben wird.