LG Frankfurt a.M.: Verbot des Verkaufs über Plattformen unzulässig

Immer häufiger sind Online-Händler mit neuen Regeln von Herstellern konfrontiert, die Vorgaben zum Internet-Vertrieb ihrer Produkte enthalten. Einige Markenhersteller haben inzwischen selektive Vertriebssysteme eingeführt oder ihren Händlern E-Commerce-Bedingungen aufgestellt. Viele Händler sind unsicher im dem Umgang mit derartigen Forderungen. Ein Händler von Deuter-Rucksäcken hat nun gegen die Einführung verschiedener Verbote geklagt – und jedenfalls in I. Instanz gewonnen (LG Frankfurt a.M. vom 18.6.2014, Az. 2-03 O 158/13).

Neue E-Commerce-Bedingungen
Der Sachverhalt dürfte vielen Online-Händlern bekannt vorkommen: Man hört es schon länger aus dem Markt und irgendwann kommt ein Schreiben eines wichtigen Lieferanten, in dem die Einführung eines Selektivvertriebssystems angekündigt und eine neue „Selektive Vertriebsvereinbarung“ übersandt wird. In der begleitenden Kommunikation heißt es mehr oder weniger deutlich, dass nur, wer unterzeichnet, weiter beliefert wird. Eine Anlage enthält E-Commerce-Bedingungen oder – wie im entschiedenen Fall: „Internetspezifische Absprachen und Regelungen„.

Verboten: eBay, Amazon und Idealo
Diese Regelungen für den Internetvertrieb enthalten dann ein Verbot des Verkaufs über Plattformen wie eBay und Amazon und eine Werbung über Preissuchmaschinen wie Idealo.

Nach einiger mehr oder weniger deutlichen Korrespondenz wird die Unterzeichnung der vorgelegten Vereinbarung abgelehnt oder lediglich eine modifizierte Vereinbarung – ohne die störenden Verbote – unterschrieben. Stellt der Hersteller die Belieferung im Anschluss unter Berufung auf die Vertragsfreiheit ein, bleibt dem Händler nur der Klageweg.

Das Urteil: Unterlassung und Schadensersatz
Diesen Weg hat ein Online-Händler, der auch ein eigenes Ladengeschäft mit 700 m² Verkaufsfläche betrieb, beschritten und gewonnen. Das Landgericht Frankfurt verurteilte den Rucksackhersteller Deuter sinngemäß dazu, es zu unterlassen,

die Belieferung des Händlers zu marktüblichen Konditionen davon abhängig zu machen, dass der Händler diese Waren nicht über Amazon anbietet und/oder sich vertraglich verpflichtet, Preissuchmaschinen nur bei einer entsprechenden ausdrücklichen Genehmigung des Herstellers aktiv einzusetzen.

Außerdem hat das Gericht sinngemäß festgestellt, dass

der Hersteller den Schaden, der dem Händler durch die Nichtbelieferung entstanden ist, ersetzen muss.

Selektives Vertriebssystem: Ausnahmsweise zulässige Beschränkung
Zunächst führt das Gericht aus, dass grundsätzlich alle Vereinbarungen verboten sind, die eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken. Zulässig können aber ausnahmsweise die – im Grundsatz ebenfalls wettbewerbsbeschränkenden – selektiven Vertriebssysteme sein.

Voraussetzung für die Zulässigkeit ist aber, dass das die dem Vertriebssystem innewohnende Beschränkung gerechtfertigt ist. Das kommt etwa bei hochwertigen Markenartikeln in Betracht, insbesondere wenn es sich um langlebige und technisch anspruchsvolle Güter handelt und der Hersteller ein berechtigtes Interesse an einer fundierten Kundenberatung, einem angemessenen Service und qualitativen Mindestanforderungen an Verkauf und Verkäufer hat.

Selektivvertriebssysteme, bei denen die Auswahl der Wiederverkäufer an erforderliche Kriterien qualitativer Art geknüpft und diese Kriterien einheitlich und diskriminierungsfrei angewendet werden, sind vom Kartellverbot freigestellt. Klar ist, dass das Ziel der Aufrechterhaltung eines besonderen Markenimages allein die Einführung eines Selektivvertriebssystems nicht rechtfertigt.

LG Frankfurt: Pauschales Plattformverbot nicht gerechtfertigt
Im Anschluss befindet das Landgericht, dass ein pauschales Plattformverbot kein gerechtfertigtes Kriterium in diesem Sinne ist. Dabei setzt es sich intensiv mit der so genannten Logo-Klausel auseinander, die in den Leitlinien der EU-Kommission zur Vertikal-GVO enthalten ist (Rn. 54, S. 14). Ein Interesse des Herstellers, dass die Waren nicht auf Plattformen vertrieben werden, die das Logo eines Dritten (also des Plattforminhabers) tragen, könne nur dann bestehen, wenn die Gefahr einer fehlerhaften Zuordnung der betroffenen Ware zu dem Anbieter der Plattform bestehe (vgl. auch die kürzlich ergangene Entscheidung des OLG Schleswig). Das sei weder bei eBay noch Amazon gegeben. Außerdem sei gerichtsbekannt, dass insbesondere Amazon als „besonders schneller, zuverlässiger und günstiger Anbieter“ gelte.

Auch das grundsätzliche Verbot, Preissuchmaschinen einzusetzen, sei nicht gerechtfertigt. Die Werbung über Idealo und anderen Plattformen von der Einwilligung des Herstellers abhängig zu machen sei sachlich nicht gerechtfertigt und damit unbillig – wenn diese Einwilligung pauschal verweigert wird.

Fazit
Die Entscheidung ist einerseits klar, macht sie doch mit den Internet-Beschränkungen vergleichsweise kurzen Prozess. Zugleich verdeutlicht das Urteil aber das Dilemma von Herstellern und Qualitätshändlern. Beide Seiten haben ein Interesse daran, Dumping und eine Verramschung der Marke zu verhindern.

Die Einbettung der wesentlichen Regelungen für den Online-Verkauf der Ware in allgemeingültige Vertriebsregeln des Herstellers ist dabei allerdings häufig problematisch. Die Entscheidung verdeutlicht, dass es gilt, in den Bedingungen pauschale Verbote zu vermeiden.

Andererseits zeigt das Urteil, dass Händler keineswegs rechtlos gestellt sind und bestehende Rechte durchaus durchgesetzt werden können. Es mag zunächst abschreckend sein, den Lieferanten zu verklagen, bisweilen ist es aber notwendig – und erfolgreich.