Sind selbst versendete Erinnerungen per E-Mail Spam?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Tell-a-friend hat für viel Missstimmung bei Unternehmen gesorgt. Mit ihr wurden die Einsatzmöglichkeiten der E-Mail zu Werbezwecken auf einem rechtlich lange umstrittenen Feld stark begrenzt. Hieraus lassen sich Konsequenzen für andere Funktionen ziehen, bei denen E-Mails versendet werden. Dies betrifft insbesondere E-Mail-Erinnerungsfunktionen bei denen Initiator des E-Mail-Versands und Empfänger ein und dieselbe Person sind. Auch hierbei kann sich die Frage stellen, ob der Empfänger vorher ausdrücklich in den Empfang einer E-Mail eingewilligt hat.

Was sind E-Mail-Erinnerungsfunktionen?
E-Mail-Erinnerungsfunktionen werden von Unternehmen in den verschiedensten Formen eingesetzt. Allen Einsatzformen ist gleich, dass der Empfänger selbst den Versand der E-Mail initiiert hat.

Beispielsweise werde diese als Erinnerung eingesetzt, wenn ein potenzieller Kunde seinen Internetanbieter wechseln möchte. Ist ihm dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt verwehrt, weil er noch an einen laufenden Vertrag gebunden ist, kann er sich rechtzeitig per E-Mail erinnern lassen, seinen laufenden Vertrag zu kündigen.

Sinnvoll kann eine Erinnerungs-E-Mail auch dort sein, wo für den Vertragsabschluss zuvor eine ganze Reihe von individuellen Informationen des potenziellen Kunden eingegeben werden müssen (z.B. Versicherungsbranche, Finanzprodukte). Das aufgrund der angegebenen Informationen online erstellte Angebot kann der Nutzer sich per E-Mail zusenden lassen, um darauf zu einem späteren Zeitpunkt zurückgreifen zu können.

Das Risiko eines Missbrauchs wird zum Problem
Niemand wird auf die Idee kommen, mit dem Versand einer Erinnerungs-E-Mail eine unzulässige Werbung zu sehen. Der Empfänger hat mit dem Eintragen seiner E-Mail-Adresse ausdrücklich in den Empfang der Erinnerungs-E-Mail eingewilligt. Allenfalls dann, wenn die Erinnerungs-E-Mail verwendet wird, um deutlich mehr Informationen zu transportieren und damit die eigentlich bezweckte Erinnerungsfunktion in den Hintergrund tritt, mag man dies anzweifeln können.

Problematisch wird es erst dann, wenn der Empfänger bestreitet, dass er seine E-Mail eingetragen hat. Im Falle eines Missbrauchs der Erinnerungsfunktion durch Dritte, stellt sich die Erinnerungs-E-Mail für den Empfänger in der Regel als Spam dar. Jeder der eine E-Mail mit dem Inhalt „unter nachfolgendem Link finden Sie ihr individuell erstelltes Angebot“ erhält, denkt an eine Spam-Mail.

Die Erinnerungs-E-Mails als Werbung
Damit stellt sich die Frage, ob die Erinnerungs-E-Mail als Werbung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gesehen werden kann. Ist dies der Fall, bedarf es einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung, die im Missbrauchsfalle gerade nicht vorliegen wird.

Dieses Ergebnis ist unbefriedigend. Betrachtet man das weite Verständnis des Werbebegriffs, kommt man im Hinblick auf die Erinnerungs-E-Mail selbst jedoch kaum daran vorbei. Unter den weit verstandenen rechtlichen Werbebegriff fällt jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen zu fördern. Der Begriff umfasst nicht nur unmittelbare produktbezogene Werbung sondern auch alle mittelbaren Maßnahmen der Absatzförderung. Damit wird man bereits von einer Werbe-E-Mail ausgehen müssen, wenn lediglich das Unternehmen nebst Kontaktmöglichkeiten und einem Link zur Website in der Erinnerungs-E-Mail zu finden ist. Enthält die E-Mail auch noch einen Link zu einem Angebot und gegebenenfalls weitere Produktinformationen, wird niemand eine Werbung verneinen können.

Einwände gegen einen Spamvorwurf
Dagegen mag man einwenden, das dies doch nicht sein könne. Nüchtern betrachtet handelt es sich jedoch um eine Werbe-E-Mail. Dann bedarf es gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung.

Fraglich ist jedoch, wie es sich auswirkt, dass die Versendung der Erinnerungs-E-Mail nicht unmittelbar durch das Unternehmen sondern (missbräuchlich) durch einen Dritten veranlasst wurde.

Konsequenzen aus der Tell-a-friend-Entscheidung
Auch der BGH hat sich in seiner Tell-a-friend-Entscheidung zu dieser Frage geäußert. Im Ergebnis hat der BGH eine Verantwortung des Unternehmens dennoch bejaht.

Danach sei es für die Einordnung als Werbung nicht entscheidend, wenn das Versenden von Empfehlungs-E-Mails letztlich auf dem Willen eines Dritten beruhe. Entscheidend sei vielmehr allein das Ziel, dass mit dem Zurverfügungstellen der Empfehlungsfunktion erreicht werden solle. Da eine solche Funktion erfahrungsgemäß den Zweck habe, Dritte auf den Empfohlenen und die von ihm angebotenen Leistungen aufmerksam zu machen, enthalten die auf diese Weise versandten Empfehlungs-E-Mails Werbung. Zudem sei es für eine Verantwortlichkeit des Unternehmens ohne Bedeutung, dass der Versand der E-Mail letztlich auf die Eingabe der E-Mail-Adresse des Empfängers durch einen Dritten zurückgeht. Maßgeblich sei, dass der Versand auf die gerade zu diesem Zweck zur Verfügung gestellte Weiterempfehlungsfunktion des Empfohlenen zurückgeht.

Allerdings unterscheiden sich die Konstellationen Erinnerungs-E-Mail und Empfehlungs-E-Mail. Bei der Erinnerungsfunktion geht es gerade nicht darum, einen Dritten auf die Leistungen des Unternehmens aufmerksam zu machen. Vielmehr bezweckt die Funktion, dass ein potenzieller Kunde, der die Leistungen bereits kennt, zur eigenen Erinnerung Informationen an sich selbst versendet.

Aus Sicht eines objektiven Dritten stellt sich der reine Inhalt der Erinnerungs-E-Mails zwar als Werbung dar. Hierauf kann es jedoch allein nicht ankommen. Vielmehr ist der Charakter als Eigeninformation zu berücksichtigen. Überwiegt der Charakter der Erinnerungs-E-Mail als eigene Information gegenüber dem Charakter als Information des Unternehmens, lässt sich eine Bewertung als Nicht-Werbung zumindest vertreten.

Dass sich die Erinnerungs-E-Mail im Missbrauchsfall gerade nicht als Eigeninformation darstellt, kann letztlich nicht entscheidend für eine Bewertung als Werbung oder nicht sein. Zumal anders als beim Tell-a-friend ein Versand durch Dritte nicht vorgesehen ist.

Im Übrigen setzt sich zunehmend durch, dass im Rahmen von Online-Geschäften der Versand der zugrundeliegenden AGB ermöglicht wird. Dazu muss der Verbraucher eine E-Mail-Adresse angeben, an die die AGB versendet werden. Diese Situation ist vergleichbar mit der vorliegenden Erinnerungs-E-Mail. Dennoch gab es bisher keine Bewertungen dahingehend, dass die E-Mail des Unternehmens an den Verbraucher als Werbe-E-Mail anzusehen ist, wenn dies missbräuchlich durch einen Dritten geschieht.

Fazit
Angesichts der kompromisslosen Regelung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG und der Entscheidung des BGH zu Tell-a-friend lässt sich nicht ausschließen, dass auch Erinnerungs-E-Mails ähnlich bewertet werden. Jedoch unterscheiden sich diese von Empfehlungs-E-Mails entscheidend dadurch, dass der Empfänger selbst und nicht ein Dritter den Versand veranlasst hat, der in erster Linie der Eigeninformation dient.

In jedem Fall sollt bei Einsatz von Erinnerungs-E-Mails deutlich gemacht werden, dass ein Versand nur an die eigene E-Mail-Adresse zulässig ist. Zudem sollte zusätzliche Produktinformationen nur sehr zurückhaltend in die Erinnerungs-E-Mail aufgenommen werden.