Nicht leicht erkennbar: Stuttgarter Richter findet das Impressum auf Xing nicht

Ein von vorn bis hinten unnötiger Streit hat ein absurdes Zwischenergebnis: Der Rechtsanwaltskollege Carsten Ulbricht hat ein Urteil des Landgerichts Stuttgart in eigener Sache öffentlich gemacht, wonach geschäftliche Präsentationen auf der Business-Plattform Xing eines Impressums bedürften und der dafür vorgesehene Impressumslink nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge (Urteil vom 27.6.2014, Az. 11 O 51/14).

Was war passiert?
Carsten war von einem anderen Rechtsanwalt abgemahnt worden, weil in seinem Xing-Profil einige wenige nach § 5 Telemediengesetz (TMG) erforderliche Pflichtinformationen fehlten. Carsten hat dagegen Klage erhoben und wollte feststellen lassen, dass er sich rechtskonform verhalte. Das Stuttgarter Landgericht wies die Klage jedoch ab. Die Abmahnung sei zum großen Teil berechtigt.

Abgesehen davon, dass mir noch immer schleierhaft ist, warum ein Rechtsanwalt deswegen Abmahnungen versendet, ist das Urteil gleich doppelt fehlerhaft.

Geschäftsmäßiges Telemedium
Der Stuttgarter Richter geht zu Unrecht davon aus, dass geschäftsmäßige Xing-Profile generell der Impressumspflicht unterliegen würden.

Zunächst führt das Gericht (auch noch unter Berufung auf unsere Kommentierung in Spindler/Schuster) aus:

„Entscheidend dafür, ob es sich bei dieser Internetveröffentlichung um ein eigenes Telemedium des Anbieters handelt, ist, ob er selbst über den Inhalt und das Bereithalten des Dienstes – also der konkreten Einzelveröffentlichung im Rahmen des Internet-Portals – bestimmen kann und sich sein (Unter-) Angebot für einen objektiven Dritten als eigenständiger Auftritt des Anbieters darstellt (Micklitz/Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 5 TMG Rn.
13 a ….).“

Anschließend führt das Gericht die verschiedenen Eintragungsmöglichkeiten auf und schließt mit der Bemerkung:

„Auch wenn die Rubriken des Profils (Überschriften, wie z. B. „Ich biete“ etc.) vorgegeben sind, kann der Kläger doch frei darüber entscheiden, ob und welche konkreten Eintragungen er unter diesen Rubriken vornimmt und mit welchen konkreten Angaben er für seine anwaltliche Beratungsleistungen wirbt.“

Mit dieser Begründung sind allerdings auch ein Werbebanner oder ein Eintrag im Branchenbuch ein eigenständiges Telemedium. Auf einen weitreichenden inhaltlichen Gestaltungsspielraum allein kann es also nicht ankommen. Bei Plattformen, die reinen Präsentationszwecken dienen und auf denen typischer Weise keine Verträge geschlossen werden, muss es um die Ausgestaltung auch vom Look & Feel her gehen.

Ein Selbständiger, der ein normales Profil auf Xing hat, betreibt dort kein eigenes Telemedium. Vielmehr stellt sich das Profil für den Durchschnittsnutzer als Unterseite der Plattform, nicht aber als eigenständige Seite des Profilinhabers, dar. Dafür ist der Gestaltungsspielraum viel zu klein. Derzeit sehen alle Xing-Profile weitgehend identisch aus. Für den Nutzer sind die Profile Teil der Xing-Plattform und sehen gerade nicht wie eigene Seiten der Profilinhaber aus. Deswegen bedarf es derzeit überhaupt keines Impressums auf Xing.

Zweimal scrollen – nicht leicht erkennbar?
Völlig verfehlt ist es anzunehmen, der Link zum Impressum des Profilinhabers, den Xing seit einigen Monaten unterhalb der Profile anbietet, sei nicht leicht erkennbar. Einerseits ist dieser durchaus farblich abgehoben genau dort angebracht, wo man ihn vermutet, nämlich am unteren Ende der Seite. Andererseits übersieht der Richter auch, dass das Impressum nicht jedermann auf den ersten Blick ins Auge springen muss. Es genügt, wenn die Pflichtangaben von dem leicht aufzufinden sind, der danach sucht. Schon der Gesetzgeber weist in der Gesetzesbegründung darauf hin, dass die Informationen lediglich an gut wahrnehmbarer Stelle stehen und ohne langes Suchen auffindbar sein müssen. Diese Voraussetzungen sind bei Xing hier ohne Weiteres gegeben.

Die Regelung in § 5 TMG geht auf die E-Commerce-Richtlinie der EU zurück. Der Europäische Gerichtshof geht bei der Erfüllung von Informationspflichten von einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus, dem eine gewisse Informationsbeschaffungslast durchaus abverlangt werden kann. Dieser Durchschnittsverbraucher ist mit einfachen technischen Gegebenheiten wie dem Anklicken von Links und dem Scrollen einer Seite vertraut. Er weiß auch, wo er die gesuchten Informationen beschaffen kann. Jedenfalls mit diesem Verständnis kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Fußzeile und der Link zum Impressum leicht zu finden und zu erkennen ist.

Was nun?
Natürlich liegt die Frage an den Anwalt nahe, was denn nun zu raten sei. Mir scheint vertretbar, das Urteil der Stuttgarter Richter schlicht zu ignorieren. Es ist ein Fehlurteil und es ist kaum vorstellbar, dass es vor dem BGH so bestehen bleiben würde. Das Impressum ist geradezu vorbildlich genau an der Stelle angebracht, wo man es vermuten würde. Es mag ein bisschen klein gehalten sein, zu finden ist aber allemal.

Wer ganz sicher gehen will, sollte alle Pflichtinformationen in das Profil integrieren oder deutlich sichtbar bei den Profilangaben einen Link in das Impressum auf der eigenen Website integrieren. Unnötig wie ein Kropf.

Wenig überraschend halten auch Thomas und Thomas das Urteil für falsch. Bei Felix findet sich ein kleines Interview dazu. Bleibt zu hoffen, dass das OLG Stuttgart in der Berufungsinstanz ein bisschen mehr Augenmaß beweist und der Klage stattgibt.