Kleiner Fehler, große Wirkung: Tippfehler in der E-Mail-Adresse kann zur Abmahnung führen

Schon eine einzige verirrte Werbe-E-Mail kann zu Abmahnungen und Klagen führen. Den Kenner überrascht das nicht – unverständlich ist es bisweilen schon. Diese Konstellation bestätigt auch eine Entscheidung aus Düsseldorf. Abhilfe schaffen können nur Sorgfalt, das Double-Opt-in-Verfahren und gut aufgestellte interne Prozesse.

Zum Sachverhalt: Ein Tippfehler und viel Pech
Das beklagte Unternehmen wollte einen Lagerverkauf per E-Mail bewerben und versandte zu diesem Zweck an ihre Kunden einen Newsletter. Einer dieser Kunden hatte seine Einwilligung in die Werbung per E-Mail am Telefon erteilt. Offenbar ist jedoch bei der Übertragung der E-Mail-Adresse in das System der Beklagten ein Fehler passiert.

Bekommen hat den Newsletter jedenfalls auch der Kläger, ein Rechtsanwalt. Dieser ist ausschließlicher Inhaber einer geschäftlich genutzten Domain und leitet über eine „Catch-All-Funktion“ alle unter dieser Domain eingehenden E-Mails in sein Postfach um.

Den Domaininhaber erreichten also nicht nur E-Mails, die an von ihm tatsächlich eingerichtete E-Mail-Adressen adressiert waren, sondern alle E-Mail, die an seine Domain gerichtet waren. So erreichte ihn – in gewisser Weise doppelt irrtümlich – auch der Newsletter der Beklagten. Geschäftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten bestand nicht, eine Einwilligung des Anwalts gab es natürlich nicht.

Zur Entscheidung des Gerichts: Pech gehabt!
Das Amtsgericht Düsseldorf hat dem Kläger einen Unterlassungsanspruch aufgrund eines rechtswidrigen Eingriffs in seinen „eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ zuerkannt, nachdem die Beklagte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hatte (Urt. v. 10.7.2012, Az. 29 C 2193/12).

Dass die Zusendung hier versehentlich erfolgte, könne das werbende Unternehmen nicht entlasten. Für den Unterlassungsanspruch komme es auf Verschulden nicht an. Der Übertragungsfehler sei jedenfalls in der Sphäre der Beklagten geschehen und diese daher auch verantwortlich.

Zur Rechtslage: Der Teufel steckt im Detail
Die Zusendung von Werbung mittels E-Mail erfordert eine ausdrückliche Einwilligung des Empfängers, die in Rede stehende Werbung erhalten zu wollen. Übersendet ein Unternehmer ohne bestehende Einwilligung Werbemails, liegt hierin einerseits eine unlautere geschäftliche Handlung gegenüber Marktteilnehmern (§ 7 UWG) und andererseits ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 BGB) bzw. bei Unternehmen in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 BGB).

Die Zusendung ohne Einwilligung lässt bei bestehender regelmäßig anzunehmender Wiederholungsgefahr, einen Anspruch auf Unterlassung entstehen.

Diese Grundsätze scheinen zunächst keinen Raum für eine andere Entscheidung zu lassen. Doch kann durchaus berücksichtigt werden, dass hier erkennbar ein Versehen vorlag. Denkbar ist ja auch, dass das Versehen schon auf Seiten des Kunden geschah, als dieser seine E-Mail-Adresse durchgab.

Insofern lässt sich durchaus argumentieren, dass eine einzelne verirrte E-Mail, die noch dazu nur wegen einer vom Empfänger eingerichteten Catch-All-Funktion den Weg in dessen Mailbox gefunden hat, zum allgemeinen „Lebensrisiko“ gehört und noch keine rechtlichen Ansprüche auslöst. Man darf sich durchaus fragen, ob hier eine echte Wiederholungsgefahr besteht. Allerdings hat in der Vergangenheit auch das Berliner Amtsgericht Wedding einen ähnlichen Standpunkt eingenommen.

Auch dem AG Düsseldorf war letztlich offenbar nicht ganz wohl mit seiner Entscheidung: Es hat einen ungewöhnlich niedrigen Streitwert festgesetzt und dies unter anderem damit begründet, dass der Beklagten allenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Außerdem sei die Gefahr von Wiederholungen angesichts dessen, dass es sich um einen Fehler handelte, doch eher gering…

Zu den Konsequenzen: Sorgfalt, Double-Opt-in und Prozessteuerung
Das Urteil des AG Düsseldorf zeigt einmal mehr, dass Unternehmer insbesondere bei offline genierten Adressen mit besonderer Sorgfalt vorgehen müssen. Fehler bei der Übertragung der Daten können – wie der Fall zeigt – durchaus zu Abmahnungen führen, auch wenn dies auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheinen mag.

Es ist dringend zu empfehlen, auch bei offline erhobenen Adressen das Double-Opt-in-Verfahren durchlaufen zu lassen und E-Mail nur dann zu versenden, wenn der Empfänger auf eine Check-Mail reagiert und ausdrücklich um Übersendung der Werbung gebeten hat.

Häufig vernachlässigt wird noch immer der richtige unternehmensinterne Umgang mit Beschwerden über (angeblich) unerbetene Werbung per E-Mail. Wer hier für eine schnelle direkte Kontaktaufnahme sorgt, kann Abmahnungen meist vorbeugen. Selbst wenn schon eine Abmahnung vorliegt, lassen sich Missverständnisse und Fehler häufig noch aufklären. Die Abgabe von Unterlassungserklärungen kann kostspielige Gerichtsverfahren vermeiden. Allerdings ist dafür Sorge zu tragen, dass dadurch nicht der gesamte Verteiler gefährdet wird. Schlecht – aber noch immer verbreitete Praxis – ist jedenfalls, Beschwerden und Abmahnungen zunächst liegen oder von Abteilung zu Abteilung kursieren zu lassen. Wer gesetzte Fristen ignoriert, erhöht das Risiko weiterer Kosten.