BGH-Urteil: Wann entspricht eine Widerrufsbelehrung der geforderten Form

Am Freitag den 13. Juni 2014 ist in Deutschland das Umsetzungsgesetz zur neuen Verbraucherrechterichtlinie in Kraft getreten. Insbesondere das Fernabsatzgeschäft und in diesem Zusammenhang das Widerrufsrecht sind von den Änderungen betroffen. Interessant ist, wie sich Gerichtsentscheidungen, die noch nach dem „alten Recht“ entschieden wurden, auf das „neue Recht“ übertragen lassen. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich ein Urteil erlassen, dass den Umgang mit der Widerrufsbelehrung betrifft (Urteil vom 15.5.2014, Az. III ZR 368/13).

Sachverhalt
Knapp einen Monat vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes, hat der BGH ein Urteil zu den Anforderungen an eine formgerechte Widerrufsbelehrung bei deren Abrufbarkeit über eine gewöhnliche Website sowie die Unwirksamkeit einer vorformulierten Bestätigungserklärung im Opt-in-Verfahren erlassen.

Der BGH hatte über einen Anspruch auf Zahlung einer Kursgebühr zu entscheiden. Den Kurs hatte die Beklagte online gebucht. Im Zuge der Anmeldung war ein Opt-In vorgesehen, bei dem der Nutzer zwingend aktiv anklicken musste, dass er die dort verlinkte Widerrufsbelehrung zur Kenntnis genommen und ausgedruckt oder abgespeichert habe. Der Bestätigungs-E-Mail zur Buchung des Kurses war hingegen keine Widerrufsbelehrung beigefügt. Circa 4 Monate nach der Buchung sagte die Beklagte die Teilnahme an dem Kurs per E-Mail ab und nahm die Anmeldung mit der Bitte um Stornierung zurück. Die Klägerin wollte dies nicht akzeptieren und klagte auf Zahlung der Kursgebühr in voller Höhe.

Das Urteil
Der BGH lehnte die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte habe den Vertrag fristgerecht widerrufen.

Beginn der Widerrufsfrist
Der Beklagten habe ein gesetzliches Widerrufsrecht zugestanden, dessen Zwei-Wochen-Frist mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung erst gar nicht zu laufen begonnen habe. Nach alter Rechtslage begann die gesetzliche Widerrufsfrist erst mit ordnungsgemäßer Belehrung. Erfolgte eine Belehrung nicht oder nicht ordnungsgemäß, so stand dem Verbraucher ein quasi „ewiges Widerrufsrecht“ zu.

Neues Recht
Die Gefahr des „ewigen Widerrufrechts“ besteht seit dem 13. Juni 2014 nicht mehr. Auch nach neuem Recht beginnt die Widerrufsfrist zwar grundsätzlich nicht vor ordnungsgemäßer Belehrung zu laufen. Mit der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie erlischt jedoch das Widerrufsrecht spätestens zwölf Monate und 14 Tage nach Erhalt der Ware bzw. bei Dienstleistungen nach Vertragsschluss.
Für „Altfälle“ (also vor dem 13. Juni 2014 geschlossene Verträge) erlischt das Widerrufsrecht im Übrigen spätestens am 27.6.2015.

Für den vorliegenden Fall hätte das neue Recht keine abweichenden Konsequenzen gehabt: Vorausgesetzt, der Verbraucher wurde im vorliegenden Fall nicht gemäß §356 Abs. 3 BGB belehrt (dazu im Folgenden), ist die Frist nicht in Gang gesetzt worden. Da die Beklagte Ihre Vertragserklärung jedoch nach 4 Monate „stornierte“ und somit noch innerhalb der Frist von 12 Monaten und 14 Tage nach Vertragsschluss widerrief, liegt auch nach neuer Rechtslage ein fristgerechter Widerruf vor.

Widerrufserklärung
Entsprechend der bisherigen ständigen Rechtsprechung ging der BGH auch im vorliegenden Fall davon aus, dass die Bitte um Stornierung als Widerrufserklärung auszulegen sei. Nach altem Recht konnte der Widerruf ohne Angabe von Gründen in Textform (z. B. Brief, Fax, E-Mail) oder durch Rücksendung der Sache erklärt werden.

Neues Recht
Der Widerruf hat nach neuem Recht durch „Erklärung gegenüber dem Unternehmer“ zu erfolgen. Aus dieser Erklärung muss nunmehr „der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen“.
Der Verbraucher muss seinen Widerruf dem Unternehmer gegenüber jetzt ausdrücklich erklären, insbesondere reicht eine kommentarlose Rücksendung einer im Fernabsatz erworbenen Sache nach neuem Recht nicht mehr aus.

Auch diese Neuerung hätte auf die vorliegende Entscheidung jedoch keine Auswirkungen gehabt. Denn die Notwendigkeit einer eindeutigen Erklärung erfordert nicht, dass der Verbraucher das Wort „Widerruf“ benutzt. Entscheidend ist, dass er sich gegenüber dem Unternehmer eindeutig dazu erklärt, dass er den Vertrag nicht mehr gegen sich gelten lassen wolle. Dies hat die Beklagte im vorliegenden Fall getan, indem sie erklärte, sie wolle den Vertrag „stornieren“.

Form und Zugang der Widerrufsbelehrung
Nach Ansicht des BGH war die Widerrufsbelehrung trotz Verlinkung und somit Abrufbarkeit auf der Website aus den folgenden Gründen unzureichend:

Nach alter Rechtslage hatte die Widerrufsbelehrung zwingend in Textform zu erfolgen. Danach musste die Belehrung „in einer Urkunde oder auf andere Weise zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneter Weise abgegeben“ werden, in der „die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht“ wird. Diese Anforderung war z.B. erfüllt, wenn die Erklärung als E-Mail übermittelt wurde, sodass der Empfänger sie speichern und ausdrucken konnte. In diesem Fall war unerheblich, ob der Verbraucher die Belehrung auch tatsächlich gespeichert und ausgedruckt hatte. Wurde die Erklärung jedoch nicht auf Papier oder z.B. als PDF in einer E-Mail übersandt, sondern „nur“ auf einer Homepage verlinkt, musste es – so entschied auch der BGH – zur Wahrung des Textformerfordernisses tatsächlich zu einem Download (Speicherung und Ausdruck) durch den Verbraucher kommen. Erforderlich war insbesondere der Zugang der Belehrung. Die Belehrung musste also derart in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.

Neues Recht
Vorvertraglich muss der Unternehmer dem Verbraucher alle Informationen, inklusive der Widerrufsbelehrung in klarer und verständlicher Weise zur Verfügung stellen.
Nach Vertragsschluss ist dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung auf einem dauerhaften Datenträger zu bestätigen. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich, und geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben, also z.B. verkörperte Schreiben, PDF oder E-Mails, die auf Servern gespeichert werden, die nicht mehr im Einflussbereich des Absenders stehen. Auch nach neuem Recht demnach nicht ausreichend, da wie auch bei der Textform, nicht auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben, ist es, wenn Informationen lediglich in die Website eines Unternehmens integriert wird. Auch in diesem Punkt gibt es daher im vorliegenden Fall nach neuem Recht keine abweichende Bewertung.

Unzulässige Beweislastumkehr
Den Umstand des Zugangs muss im Streitfall der Unternehmer beweisen, was dem Kläger nach Ansicht des BGH im vorliegenden Fall nicht gelungen war. Insbesondere stellte der BGH klar, dass der Beweis mitnichten durch das Anklicken des Opt-In-Kästchens erfolgt sei. Zum Einen, halte der vorgegebene Kontrollkasten den Verbraucher nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu an, die Widerrufsbelehrung durch Ausdrucken in Papierform zu sichern oder zu speichern. Denn der Anmeldevorgang könne nach dem Ankreuzen ohne weiteres fortgesetzt werden, auch wenn die Belehrung weder abgerufen noch ausgedruckt oder abgespeichert worden war.

Angesprochen, aber mangels Entscheidungserheblichkeit nicht abschließend beantwortet, hat der BGH die Frage, ob es für die Einhaltung der Textform genügen kann, wenn der Unternehmer die Belehrung auf einer sog. „sophisticated website“ zur Verfügung stellt. Dies kann unter Berücksichtigung der europäischen Rechtsprechung genügen, wenn die Website Elemente enthält, die den Verbraucher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu anhalten, die Information in Papierform zu sichern oder auf einem anderen dauerhaften Datenträger zu speichern oder wenn sie einen sicheren Speicherbereich für den einzelnen Verbraucher vorsehe, auf welchen dieser nur mittels Eingabe von Log-In-Daten zugreifen könne, so dass der Unternehmer keine Möglichkeit habe, die dort einmal eingestellten Informationen zu ändern. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall.

Der vorgehaltene Einwilligungstext sei zum Anderen als Allgemeine Geschäftsbedingung zu qualifizieren und somit den besonderen gesetzlichen Anforderungen des AGB-Rechts unterworfen, denen es nicht genügt. Denn das AGB-Recht sieht vor, dass Regelungen, die eine gesetzlich vorgesehen Beweislastregeln zu Lasten des Verbrauchers verschiebe, unzulässig seien. Grundsätzlich obliegt es dem Unternehmer nachzuweisen, dass die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher zugegangen ist. Im vorliegenden Fall bringe die Erklärung den Verbraucher in die Situation beweisen zu müssen, dass er die Widerrufsbelehrung nicht ausgedruckt oder gespeichert habe. Diese Einschätzung ist auch nach neuem Recht zu beanstanden.

Fazit
Zwar sind Urteile, die nach altem Recht erlassen wurden, sorgfältig auf ihre Übertragbarkeit auf die aktuelle Rechtslage zu prüfen.

Im vorliegenden Fall ist das Urteil des BGH jedoch ohne Einschränkungen auch auf die neue Rechtslage anwendbar. Daraus ergeben sich für Unternehmer im Fernabsatz folgende Konsequenzen:

  • Eine formgerechte Widerrufsbelehrung muss dem Verbraucher nach Vertragsschluss auf einem dauerhaften Datenträger zugehen. Dies kann durch Übersendung eines körperlichen Schreibens, einer (nicht mehr durch den Absender veränderbaren) E-Mail oder Übersendung eines PDF-Dokuments erfolgen. Die reine Verlinkung der Belehrung auf der Website des Unternehmers reicht hingegen nicht aus.
  • Denkbar ist aber, die Belehrung durch einen Zwangsdownload oder derart auf einer sog. „sophisticated website“ zur Verfügung zu stellen, dass die Speicherung bzw. der Ausdruck der Information mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfolgt, so z.B. wenn die Informationen in einem nur dem Verbraucher zugänglichen Bereich gespeichert werden, ohne eine Möglichkeit des Unternehmer, die dort einmal eingestellten Informationen zu ändern.
  • Vorformulierte Einwilligungserklärungen sind als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu qualifizieren und unterliegen daher der Kontrolle nach den §§ 305ff BGB. Insbesondere darf das Abfragen einer Bestätigung nicht zu Lasten des Verbrauchers zu einer Beweislastumkehr führen.